





Psychische Gesundheit bei Teenagern stark beeinträchtigt
Laut jüngster HBSC-Studie steht es um die psychische Gesundheit der österreichischen Jugendlichen zwischen elf und 17 Jahren nicht besonders gut. Die Ergebnisse zeigen, dass nach zwei Jahren Pandemie und aktueller Krisenstimmung, Gefühle von Zukunftsängsten, Niedergeschlagenheit, Gereiztheit und Einsamkeit massiv unter den jungen Menschen zugenommen haben.

(ots) Die HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children) ist die größte europäische Kinder- und Jugendgesundheitsstudie. Sie wird in enger Kooperation mit dem Europabüro der WHO von einem interdisziplinären Forschungsnetzwerk aus 51 Ländern und Regionen im Vier-Jahres-Rhythmus durchgeführt.
In Österreich wird die HBSC-Studie vom Gesundheitsressort beauftragt und vom Bildungsressort unterstützt. Für die im Schuljahr 2021/22 durchgeführte Studie wurden Daten von 7.099 Schüler:innen im Alter von ungefähr 11 bis 17 Jahren, aus allen Bundesländern ausgewertet. Rosemarie Felder-Puig, nationale Studienleiterin und Gesundheitsexpertin an der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG): „Die Ergebnisse bestätigen das Bild, das andere internationale und nationale Studien, die während der Corona-Pandemie veröffentlicht wurden, schon gezeigt haben: Die psychische Gesundheit der jungen Menschen hat sich weiter verschlechtert.“
Mädchen psychisch stärker belastet als Burschen
Besonders fällt dieses Mal der Unterschied zwischen den Geschlechtern auf. Wohl wiesen Mädchen ab ca. 13 Jahren auch in der Vergangenheit bei der psychischen Gesundheit schlechtere Werte als Burschen auf, jedoch waren die Geschlechtsunterschiede dieses Mal wesentlich größer als bei der letzten Erhebung 2018. 44% der Mädchen und 25% der Burschen sind häufig gereizt oder schlecht gelaunt, 35% versus 18% sind häufig nervös und 30% zu 12% sind häufig niedergeschlagen.
Bei den wegen der Pandemie erstmals erhobenen Symptomen lauten die Ergebnisse: 29% der Mädchen und 17% der Burschen machen sich häufig Sorgen um ihre Zukunft, 29% bzw. 9% haben häufig Angst und 66% bzw. 43% haben sich in den letzten zwölf Monaten vor der Erhebung manchmal, meistens oder immer einsam gefühlt. Bei Mädchen und jungen Frauen unter 20 Jahren sind psychische Erkrankungen mit 27% sogar die häufigste Ursache für in Krankheit und in Beeinträchtigung verbrachte Lebensjahre.
31% der Mädchen und 19% der Burschen sind mit ihrem Leben nicht sehr zufrieden, wobei es bei den Jüngsten keine Geschlechtsunterschiede gibt, diese aber mit zunehmendem Alter steigen. Über alle Altersgruppen hinweg, und das ist die gute Nachricht, zeigt sich bei 42% der Schülerinnen und 65% der Schüler jedoch eine hohe Lebenszufriedenheit.
„Gereiztheit, Nervosität und (Zukunfts-)Ängste sind generell Themen, die in Jugendjahren vorherrschen. Die Pandemie, Krieg und damit einhergehende Krise sowie die Klimathematik haben diese Probleme bei Teenagern aber massiv verstärkt", betont auch Patricia Weiner, Dipl. Ehe- & Familienberaterin, Kinder- & Jugendcoach aus Bad Vöslau, die unter ihren Klient:innen viele Jugendliche betreut, mittlerweile auch schon Volksschulkinder, die sich – aufgrund enormen Drucks in der Schule und anderer Einflüsse – nicht gut fühlen. Sie habe aber beide Geschlechter unter ihren Klient:innen.
Die Rolle der sozialen Medien
„Den Jugendlichen wird aber auch seit geraumer Zeit das Bild vorgehalten, wie schlecht es ihnen doch geht", gibt Weiner zu bedenken, „durch den Zugang zu Internet und zu sozialen Medien werden diese Bilder verstärkt. Da werden unterschiedlichste Diagnosen erklärt und die Teenager bewerten mittlerweile oftmals ihren Gemütszustand anhand dieser Kriterien, die Goggle & Co. vermitteln – noch bevor sie zum Psychologen gehen." Durch die Bubbles, die durch das Googeln immer gleicher Themen entstehen, kommt es schließlich zu „Eigen"-Diagnosen wie „Du bist Borderliner". „Es geht wirklich rund unter den Teenagern", so Weiner. Da sitzen dann schon auch Jugendliche in ihrer Praxis, die plötzlich mit einer selbst erstellten und vorgefertigten Diagnose aufwarten. „Das sind Situationen, wo wir als fachliche Expert:innen schon sehr vorsichtig sein müssen, um diese angenommenen Krankheitsbilder beim Jugendlichen nicht noch zu verstärken. Auf der anderen Seite haben die Fälle, die ich zur Diagnostik und Behandlung an Psychotherapeut:innen bzw. Psychiater:innen weiter verweisen muss, seit Beginn der Pandemie um ein Vielfaches zugenommen. Sehr wichtig ist es da jetzt, auf die richtige Balance von durch die Krise verursachter Problemstellung und definitivem Krankheitsbild zu schauen." Weiner sieht darin eine Folge der Krise: „Über die vergangenen drei Jahre hat sich vieles verschärft. Grundsätzlich geht es darum, die Jugendlichen in ihren Sorgen und Ängsten sowie ihrem Gemütszustand ernstzunehmen. Ein offenes Ohr und Verständnis sind die grundlegenden Faktoren zur Erhaltung der psychischen Gesundheit. Meist geht es daher in meinen Beratungen darum, auf das ,dahinter' zu schauen, dem Teenager zu helfen, sich wieder ok und gut zu fühlen."
Enormer Druck
Als Hauptthemen unter den Teenagern zählt Weiner die massiven Selbstzweifel, Selbstkritik und die kritische Körperwahrnehmung auf. „Der schulische Druck ist immens, die Kinder und Jugendlichen sind einfach sehr erschöpft, müde und beschäftigen sich auch durch die Geschehnisse der vergangenen Jahre viel früher und mehr mit gesellschaftspolitischen Themen, die natürlich belasten." Sie bewertet es aber als durchaus positiv, dass junge Menschen heutzutage aktiv sagen, sie würden Hilfe brauchen – aber „das hat sich über die drei Jahre massiv entwickelt, unsere Kinder und Jugendlichen sind sehr erwachsen geworden. Und je schneller ich erwachsen werde, desto massiver bin ich auch an allen gesellschaftspolitischen Problemen dran – und das belastet."
Daher sei nicht nur der Bedarf an mehr Unterstützungsmöglichkeiten/ Beratungen und Therapieplätzen für Kinder und Jugendliche ein großes Thema, so die Expertin abschließend, sondern man müsse bereits präventive Maßnahmen ergreifen bzw. auch gesellschaftspolitisch darüber nachdenken, ob dieses (unser) System ein „gesundes" Heranwachsen unserer Kinder ermögliche.
Steigende Übergewichtsraten
Die Anzahl der Jugendlichen mit Übergewicht oder Adipositas ist laut HBSC-Studie ebenso gestiegen, bei beiden Geschlechtern und in allen Altersgruppen. So sind gemäß den selbstgemachten Angaben zu Gewicht und Körpergröße 17% der Schülerinnen und 25% der Schüler als übergewichtig einzustufen. Und dies, obwohl sich im Vergleich zu früher, nun mehr von ihnen bemühen, täglich Obst/Gemüse zu essen und mehr Bewegung zu machen. Allerdings hat auch der Konsum von Süßigkeiten und Softdrinks und die Anzahl der Stunden, die mit dem Handy verbracht werden, zugenommen. Auf das Frühstück wird an Schultagen oft verzichtet.
Weniger Zigaretten, dafür andere Nikotinprodukte
Seit 2010 gibt es immer weniger Teenager, die Zigaretten rauchen. Dafür finden laut der Studienergebnisse andere Nikotinprodukte wie E-Zigaretten, Wasserpfeifen, Snus oder Nikotinsäckchen jugendliche Abnehmer:innen. Die Anzahl der Teenager, die mindestens einmal wöchentlich Alkohol konsumieren, ist seit 2010 rückläufig. Im Vergleich zu 2018 gab es beim Konsum von Cannabis 2022 eine Steigerung bei den Konsument:innen – mehr Burschen als Mädchen. •